Eine 46-jährige Eiche zieht um ...

Die Baumschule Hauenstein AG in Rafz ist u.a. Spezialist für Grossbäume. Das ist seit vielen Jahrzehnten unser tägliches Business. Ein aussergewöhnliches Ereignis, auch für uns, war die Verpflanzung einer 46-jährigen Eiche. Sie zügelte in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 2003 von unserer Baumschule an ihren endgültigen Platz in einen Garten an den Zürichsee.

Herkunft, Aussehen

Unsere Eiche ist genau genommen eine Stieleiche (Quercus robur). Stieleichen sind bei uns einheimisch und kommen in ganz Europa, Nordafrika und Kleinasien vor. Sie werden seit vielen Jahrhunderten forstwirtschaftlich genutzt. Der ursprüngliche Wald im schweizerischen Mittelland hatte einen hohen Eichenanteil. Das Holz ist sehr hart und beständig. Die Früchte, auch Eicheln genannt, dienten früher in Notzeiten als Schweinefutter und Kaffeeersatz. Auch als Parkbaum geniesst die Stieleiche ein hohes Ansehen. Besonders alte Bäume haben einen charakteristischen, malerischen, wilden Wuchs. Stieleichen können sehr gross und alt werden. So gibt es Bäume, die ein paar hundert Jahre alt sind und Ausmasse von 25 – 30 Meter Höhe und einen Stammdurchmesser von mehr als 2 Meter haben.
Die Blätter der Stieleiche sind unregelmässig gelappt und verfärben sich im Herbst ockerbraun. Sie bleiben vielmals über den ganzen Winter am Baum und fallen erst im zeitigen Frühjahr ab.
Stieleichen sind tiefwurzelnde Bäume, die häufig an nicht zu trockenen Stellen oder gar auf Wasseradern wachsen. Von daher kommt auch die alte Weisheit: "Eichen sollst du meiden, Buchen sollst Du suchen". Ob der Blitz wirklich mehr in Eichen als in Buchen einschlägt, ist uns jedoch nicht bekannt.

Baummasse

Unsere Stieleiche (Quercus robur) war kein ausgewachsener Baum, obwohl sie in ihrem Leben schon ein gutes Stück vorangekommen war.
Folgende Werte konnte sie bereits aufweisen:

  • Alter: 46 Jahre
  • Gesamthöhe: 12 Meter
  • Stammhöhe: 250 cm
  • Kronenhöhe: 9.50 Meter
  • Kronenbreite: 6 Meter
  • Stammumfang: 110 Zentimeter
  • Stammdurchmesser: 35 Zentimeter
  • Gewicht: 16 Tonnen (inklusive Wurzelballen)
  • Wurzelballendurchmesser: 330 Zentimeter
  • Anzahl Verpflanzungen: 9 x

Der natürliche Baumschul-Trick

Sie werden sich vielleicht fragen: "Warum wurde dieser Baum in der Baumschule 9 x ausgegraben und wieder frisch gepflanzt?" Die Antwort ist einfach. Bäume wachsen nicht nur in den "Himmel" sondern auch in die Erde. Die Wurzeln entwickeln sich in einem ähnlichen Ausmass wie die oberirdischen Teile. Das heisst, dass sie mit den Jahren immer mehr in die Tiefe und speziell in die Breite wachsen. Die Hauptwurzeln in Stammnähe werden immer dicker, die jungen und damit vitalen feinen Wurzeln (Faserwurzeln), die am Ende von den Hauptwurzeln wachsen sind damit immer weiter vom Stamm entfernt. Das kann, bereits bei relativ jungen Bäumen, viele Meter ausmachen. Beim Ausgraben würden genau diese jungen Wurzeln abgeschnitten. Der Baum hätte keine Überlebenschance.
Jetzt kommt der Baumschul-Trick! Alle Bäume in unserer Baumschule werden alle 4-5 Jahre ausgegraben und neu gepflanzt. Sie haben in dieser relativ kurzen Zeit noch nicht übermässig lange und dicke Wurzeln gebildet. Dieser kleine Verlust an Wurzeln kann der Baum gut verkraften. Er wird gleichzeitig gezwungen, in der Nähe des Stammes neue, und damit vitale Faserwurzeln zu bilden. So ist es möglich, auch noch 46-jährige "Oldies" erfolgreich zu verpflanzen. Mehr zu diesem Thema finden Sie hier.
Normalerweise müsste eine Stieleiche in 46 Jahren viel grösser als "nur" 12 Meter hoch gewachsen sein. Warum nicht dieser Baum? Das erklärt sich damit, dass durch das Umpflanzen alle 4-5 Jahre das Wachstum stark gebremst wurde. Insbesondere das erste und auch das zweite Jahr braucht der Baum, um wieder richtig Fuss zu fassen, d.h. neue, leistungsfähige Wurzeln zu bilden. Fazit: Von den 46 Jahren waren höchsten 60% produktives Wachstum. 40% der Zeit brauchte der Baum für die Erholung. Nachdem er am endgültigen Standort im Garten angewachsen ist, wird er ein bedeutend zügigeres Jahreswachstum haben als die letzten 46 Jahre.

Das Ausgraben

Es war ein grosses Stück Arbeit, die getan werden musste, bis diese stattliche Eiche ausgegraben und bereit für den Transport war. Als erstes wurde die Erdballengrösse bestimmt. Bei einem solch alten Baum, der bereits neun Mal in der Baumschule verpflanzt wurde, durfte die Ballengrösse nicht zu klein gewählt werden. Auf alle Fälle musste er grösser sein als beim letzten Verpflanzen. Das gibt die Sicherheit, dass ein grosser Teil der neu gewachsenen Feinwurzeln nicht abgegraben werden. Genau diese sind der Garant für ein erfolgreiches An- respektive Weiterwachsen im Kundengarten.
Der verantwortliche Obergärtner entschied sich für einen runden Wurzelballen mit einem Durchmesser von 330 cm und einer Höhe von 150 cm. Gerade die Höhe des Wurzelballens ist bei Eichen nicht zu unterschätzen, da dieser Baum die Wurzeln tief ins Erdreich treibt (Tiefwurzler!).
Als erstes wurde die Krone möglichst eng zusammengebunden, damit beim Graben keine Äste beschädigt werden. Für den späteren Transport wäre diese Massnahme sowieso zwingend gewesen. Anschliessend wurde mit dem Löffelbagger um den geplanten Wurzelballen herum ein 2 m tiefer Graben ausgehoben. Und ab jetzt war schweisstreibende Handarbeit angesagt. Mit Pickel und Schaufel gruben kräftige Mitarbeiter langsam unter den Wurzelballen, damit er an der Basis abgerundet wurde, aber auch um senkrecht wachsende Wurzeln sauber zu durchtrennen.
Das brauchte viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Wichtig war, dass nicht zuviel Erde vom Wurzelballen abbrach und sich keine Risse bildeten. Ein fester, kompakter Wurzelballen war das Ziel. Am Schluss sah er aus wie ein Pilz. Er stand nur noch auf einer relativ kleinen Grundfläche. Zur Sicherheit der Mitarbeiter wurde die Eiche während dieser Arbeiten mit Seilen gesichert.
Zum Schluss kam die "Verpackung". Damit der Wurzelballen während dem Auflad, Transport und Ablad keine Risse bekam, wurde er in ein natürliches Jutetuch und in ein unbehandeltes Gitternetz (sehr starker Maschendraht) verpackt. Diese Verpackung blieb nach dem Pflanzen am Wurzelballen und zersetzte sich mit der Zeit. Sie war für die weitere Entwicklung des Baumes in keiner Weise nachteilig, da es sich um natürliche Materialien handelt (Jute, Eisen). Jetzt war unser "Oldie" perfekt verpackt und transportbereit.

Das Verladen

Das war ein schwieriges Stück Arbeit, obwohl alles sehr gut bis ins Detail geplant war. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Zum Schluss waren dann alle doch noch zufrieden mit dem Resultat. Doch alles schön der Reihe nach.
Nachdem der 50 Tonnen Pneukran, eines für Schwertransporte spezialisierten Unternehmens, am optimalen Ort nahe der Eiche eingerichtet, abgestützt und bereit für die Arbeit war, wurden dem Baum starke Gurte um den Ballen gelegt und festgezurrt. Das war eine sehr wichtige Arbeit für die Sicherheit von Baum und Mitarbeitern. Der Haken wurde eingehängt und die Motoren konnten arbeiten. Doch nichts rührte sich. Der Baum mit dem riesigen Wurzelballen bewegte sich nicht. Das Einzige, was sich bewegte, waren die Gurten, die sich langsam in den Wurzelballen schnitten. Bei den Verantwortlichen kam die Befürchtung auf, dass der Wurzelballen Schaden erleiden könnte. Damit wäre das Überleben der Eiche zumindest erschwert worden. Die integrierte Messstation im Pneukran zeigte zu diesem Zeitpunkt eine Hebeleistung von 22 Tonnen an. Das war für alle, auch für die erfahrenen Spezialisten, eine grosse Überraschung. Sofort wurde der Hebevorgang gestoppt und die Situation neu analysiert. Allen war klar, dass die Eiche noch verschiedene Wurzeln senkrecht ins Erdreich haben musste und dass die lehmige Erde am Fuss des Wurzelballens durch die Trockenheit sehr fest zusammengekittet war. Dass diese zwei Punkte aber einen solchen Widerstand leisten konnten, überraschte alle. Wie dem auch sei. Es musste ein Weg gefunden werden, wie der Baum vom Untergrund losgelöst werden konnte.
Mit dem Kran und in Zusammenarbeit mit einem Löffelbagger wurde dann doch noch das Ziel erreicht und zwar ohne Schaden für den Baum oder den Wurzelballen. Die Erleichterung war bei allen Beteiligten spürbar gross.
Von jetzt an lief alles nach Fahrplan. Der Pneukran hob die 16 Tonnen schwere Eiche an, (sie war 2 Tonnen schwerer als vorgängig berechnet), und setzte sie behutsam auf den Spezialtransporter. Mit mehreren Spanngurten wurde der Wurzelballen und der Stamm festgebunden. Um die Krone, d.h. die Äste nicht zu stark zu belasten, wurde am Ende des Stammes ein Podest aufgebaut, worauf der Stamm zum liegen kam. Selbstverständlich war die Krone noch zu breit und zu hoch für den Transport. Darum wurden die Äste nochmals enger gebunden, speziell die Dünneren. Nach drei Stunden harter Arbeit war das Ziel erreicht. Der Baum lag wunschgemäss auf dem Spezialtransporter. Die Reise konnte beginnen. Doch vorerst war warten angesagt, weil aus verkehrstechnischen Gründen (Fahrzeugbreite 4 Meter) nur in der Nacht gefahren werden durfte.

Der Transport

Um 02.00 Uhr morgens war es dann soweit. In Begleitung einer Polizei-Eskorte rollte unser "Oldie" durch die Nacht Richtung Zürichsee. Gemäss Aussagen des Chauffeurs verlief alles planmässig, obwohl es teilweise heftig regnete. Die 46-jährige Eiche kam wohlbehalten am Ziel an und musste dort schon wieder warten! Dieses Mal auf das Tageslicht, damit sie fachmännisch gepflanzt werden konnte.

Das Abladen und Pflanzen

Es war vorauszusehen, dass das Abladen beim Kunden genau so knifflig werden würde wie das Verladen bei uns in der Baumschule. Auch hier spielte wieder das Gewicht von 16 Tonnen eine Rolle und die Tatsache, dass ein Baum sehr fragile sein kann. Erschwerend kam hinzu, dass die Platzverhältnisse sehr knapp waren.
Nachdem der 50-Tonnen Pneukran und der Spezialtransporter in die richtigen Positionen gebracht wurden, konnte der Ablad beginnen. Vorgängig wurde durch ein Gartenbau-Unternehmen am zukünftigen Standort der Eiche ein grosses Loch gegraben. Das Ziel war, die Eiche direkt vom Spezialtransporter in einem Zug in dieses Pflanzloch zu hieven, ohne abzusetzen oder umzuhängen. Das gelang mit etlichen Schwierigkeiten, die aber mit "vereinten Kräften" überwunden wurden. Soweit so gut. Die Eiche war am richtigen Ort. Was noch nicht stimmte war die Ausrichtung. Sie wurde mit viel Aufwand noch etwas um die eigene Achse gedreht und gerichtet, damit sie senkrecht stand und sich perfekt präsentierte. Das Wichtigste war uns, dass sie den Vorstellungen des Kunden entsprach.
Bei Gehölzen und insbesondere bei grossen Bäumen ist die Verankerung ein sehr wichtiger Punkt. Es wäre fatal, wenn der Wind den Baum immer hin und her bewegen oder gar in Schieflage bringen würde. Das Anwachsen wäre erschwert, weil die jungen Wurzeln immer wieder von der Erde losgerissen und beschädigt würden. Darum wurde die Eiche mit Spannseilen und Erdankern "sturmsicher" gemacht.
Anschliessend wurde das Pflanzloch mit einer Spezialerde aufgefüllt. In dieser Erde werden die neuen Wurzeln optimal Fuss fassen können, so dass das Anwachsen beschleunigt werden kann. Das wird aber erst im nächsten Frühjahr geschehen, wenn die Natur wieder erwacht. Und das Wichtigste kommt zum Schluss. Mit sehr viel Wasser wurde die Eiche angegossen respektive eingeschwemmt. Das ist enorm elementar für das Anwachsen. So erreicht man einen sehr guten Kontakt zwischen den Wurzeln und der Erde.

Ihr Wunsch geht in Erfüllung!

Diese 46-jährige Eiche war nicht der einzige Baum in unserer Baumschule. Es warten unzählige andere geduldig auf einen neuen Besitzer. Vielleicht möchten Sie sich auch einen Wunsch erfüllen und Ihren Garten verschönern. Die Auswahl ist riesig. Es muss ja nicht unbedingt ein 46-jähriger "Oldie" sein. Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

PS: Wussten Sie, dass Sie grössere Gehölze selber in der Baumschule auslesen können? Machen Sie bitte mit uns einen Termin ab!

Die ausgegrabene Pflanze
Die ausgegrabene Pflanze
Das Aufladen
Das Aufladen
Die Eiche an ihrem neuen Standort
Die Eiche an ihrem neuen Standort
Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. 
Mehr Informationen