Vegetative Vermehrung für sortenechte Nachkommen

Die vegetative Vermehrung ist eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen. Schon lange bevor die Züchtung gezielt betrieben wurde, haben Gärtner und Bauern Pflanzen durch Teilung, Stecklinge oder Absenker vermehrt. 

Der Vorteil: Jede neue Pflanze ist genetisch identisch mit der Mutterpflanze – und behält damit zuverlässig alle Eigenschaften, die man an ihr schätzt. Ob die leuchtende Farbe einer Rose, die Form einer Staude oder der besondere Geschmack einer Obstsorte – durch vegetative Vermehrung bleibt all dies über Generationen erhalten.

Vegetative Vermehrung von Rosmarin: frische Stecklinge im Gewächshaus
Vegetative Vermehrung von Rosmarin: frische Stecklinge im Gewächshaus

Wie funktioniert die vegetative Vermehrung?

Im Gegensatz zur generativen Vermehrung über Samen entstehen bei der vegetativen Vermehrung neue Pflanzen aus Pflanzenteilen. Diese Pflanzen sind Klone, also exakte Kopien.

  • Stecklinge: Triebspitzen oder Teilstücke werden in Substrat gesteckt und bewurzeln.
    Typisch bei Rosen, Lavendel oder Hortensien.
  • Teilung: Stauden, die Horste bilden, werden ausgegraben, geteilt und neu gesetzt.
    Klassiker: Astern, Taglilien oder Hosta.
  • Absenker/Ableger: Triebe werden zum Boden gebogen und bilden an den Knoten Wurzeln. Beliebt bei Johannisbeeren oder Kletterrosen.
  • Zwiebeln, Knollen & Rhizome: Viele Pflanzen, wie Tulpen, Dahlien oder Schwertlilien, bilden Tochterknollen oder -zwiebeln, die man einfach abnimmt.
  • Veredelung: Im Obstbau oder bei Rosen werden Sorten auf eine Unterlage gepfropft, damit sie kräftiger wachsen und langlebiger sind.

Vorteile der vegetativen Vermehrung

Die vegetative Vermehrung hat viele Vorzüge:

  • Sortenechtheit: Jede Pflanze ist eine exakte Kopie – wichtig bei Stauden, Rosen und Obst.
  • Schnelligkeit: Aus einem Steckling entsteht oft in wenigen Wochen eine verkaufsfertige Jungpflanze.
  • Kontinuität: Sorten können über Jahrhunderte erhalten werden. Viele historische Obst- und Rosensorten verdanken ihre Existenz dieser Technik.
  • Frühe Blüte & Ertrag: Pflanzen aus Stecklingen oder Teilung sind meist schneller blühfähig als aus Samen gezogene.

Herausforderungen und Grenzen

Wo Klone entstehen, gibt es auch Risiken. Krankheiten oder Schädlinge können sich leichter ausbreiten, da es keine genetische Vielfalt gibt. Einige Methoden – etwa Veredelungen – brauchen viel Fachwissen und Geschick. Zudem wird kein neues Erbgut kombiniert, sodass keine Züchtungsfortschritte entstehen.

Historische Bedeutung

Die vegetative Vermehrung hat die Garten- und Landwirtschaftsgeschichte geprägt:

  • Schon in der Antike wurden Obstbäume gepfropft, um edle Sorten weiterzugeben.
  • Klöster im Mittelalter vermehrten Rosen, Kräuter und Heilpflanzen durch Teilung und Stecklinge.
  • Viele historische Rosensorten oder alte Rebsorten sind nur dank vegetativer Vermehrung heute noch lebendig.

Ein berühmtes Beispiel ist die Rebe von Maribor in Slowenien – über 400 Jahre alt. Alle heute erhältlichen Jungpflanzen stammen aus vegetativer Vermehrung durch Stecklinge.

Wussten Sie schon?

Die Sykomore-Feige (Ficus sycomorus) spielte im alten Ägypten eine zentrale Rolle: Sie war nicht nur heilig, sondern auch eine wichtige Kulturpflanze. Doch ihre Samen konnten ohne eine bestimmte afrikanische Feigenwespe (Ceratosolen arabicus) nicht keimen – und diese kam in Ägypten gar nicht vor.

Die Ägypter fanden dafür schon vor über 3000 Jahren eine Lösung:
Sie vermehrten die Sykomore-Feigenbäume ausschliesslich vegetativ durch Stecklinge. Damit gehörten sie zu den ersten Kulturen der Menschheitsgeschichte, die bewusst Klontechniken einsetzten, um eine wertvolle Pflanze zu erhalten. Nur so konnten die charakteristischen Bäume, die bis heute in Darstellungen auf Tempelwänden und in Mumienbeigaben zu finden sind, über Jahrhunderte weiter kultiviert werden.

Vegetative Vermehrung: frische Stecklinge im Gewächshaus
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Topfarbeiten in unserer Pflanzenproduktion – Jungpflanzen werden für das weitere Wachstum vorbereitet
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Effiziente Bewässerungssysteme in der Pflanzenvermehrung – gleichmässige Versorgung unserer Jungpflanzen
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Nektarinen- und Pfirsichreiser bereit zum Veredeln
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Bewurzelte Obst-Stecklinge werden in unserer Baumschule aufgeschult
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Früchte der Sykomore-Feige, seit Jahrtausenden in Ägypten kultiviert und durch Stecklinge vermehrt
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