Die vegetative Vermehrung ist eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen. Schon lange bevor die Züchtung gezielt betrieben wurde, haben Gärtner und Bauern Pflanzen durch Teilung, Stecklinge oder Absenker vermehrt.
Der Vorteil: Jede neue Pflanze ist genetisch identisch mit der Mutterpflanze – und behält damit zuverlässig alle Eigenschaften, die man an ihr schätzt. Ob die leuchtende Farbe einer Rose, die Form einer Staude oder der besondere Geschmack einer Obstsorte – durch vegetative Vermehrung bleibt all dies über Generationen erhalten.
Im Gegensatz zur generativen Vermehrung über Samen entstehen bei der vegetativen Vermehrung neue Pflanzen aus Pflanzenteilen. Diese Pflanzen sind Klone, also exakte Kopien.
Die vegetative Vermehrung hat viele Vorzüge:
Wo Klone entstehen, gibt es auch Risiken. Krankheiten oder Schädlinge können sich leichter ausbreiten, da es keine genetische Vielfalt gibt. Einige Methoden – etwa Veredelungen – brauchen viel Fachwissen und Geschick. Zudem wird kein neues Erbgut kombiniert, sodass keine Züchtungsfortschritte entstehen.
Die vegetative Vermehrung hat die Garten- und Landwirtschaftsgeschichte geprägt:
Ein berühmtes Beispiel ist die Rebe von Maribor in Slowenien – über 400 Jahre alt. Alle heute erhältlichen Jungpflanzen stammen aus vegetativer Vermehrung durch Stecklinge.
Die Sykomore-Feige (Ficus sycomorus) spielte im alten Ägypten eine zentrale Rolle: Sie war nicht nur heilig, sondern auch eine wichtige Kulturpflanze. Doch ihre Samen konnten ohne eine bestimmte afrikanische Feigenwespe (Ceratosolen arabicus) nicht keimen – und diese kam in Ägypten gar nicht vor.
Die Ägypter fanden dafür schon vor über 3000 Jahren eine Lösung:
Sie vermehrten die Sykomore-Feigenbäume ausschliesslich vegetativ durch Stecklinge.
Damit gehörten sie zu den ersten Kulturen der Menschheitsgeschichte, die bewusst Klontechniken einsetzten, um eine wertvolle Pflanze zu erhalten. Nur so konnten die charakteristischen Bäume, die bis heute in Darstellungen auf Tempelwänden und in Mumienbeigaben zu finden sind, über Jahrhunderte weiter kultiviert werden.